Was ist eigentlich Verantwortung?
Manchmal trifft man auf Menschen, die offenkundig die Meinung vertreten, dass Verantwortung etwas ist, was immer nur die Anderen haben. So verständlich eine solche Meinung aus merkantilen und haftungsrechtlichen Gründen auch sein mag, macht es doch die Zusammenarbeit mit diesen Menschen immer ein wenig schwierig, insbesondere in terminlich oder finanziell knappen Situationen – also eigentlich immer. Denn nachdem am idealerweise gleichmäßig verteilten Verantwortungskuchen dann ein Esser fehlt, bleibt für alle übrigen ein größeres Stück. Das alleine wäre ja noch nicht tragisch, solange nur ein Esser ausfällt – nachdem aber diese Manie anscheinend um sich greift, kann es passieren, dass man sich an der Größe des eigenen Stückes fast verschluckt. Man kann hier frei nach Douglas Adams vom SAL-Syndrom sprechen, dem „Schuld anderer Leute“-Syndrom.
Ein Abgabetermin steht an, die eigene Leistung wäre erbracht, jetzt wäre nur noch die Unterstützung des xxx (an dieser Stelle kann sich jeder seinen Lieblings-Verantwortungsverweigerer denken) erforderlich, aber: „Ich habe die Pläne viel zu spät bekommen“ oder „die Vorleistungen waren noch nicht erbracht“ oder „Ich kann erst anfangen, wenn …“. Keine Rede von gemeinsamen Anstrengungen, Teamwork, Vorausdenken oder gar selbständigem Handeln.
Diese Methode hat aber neben der Tatsache, dass sie allen Beteiligten das Leben ein wenig schwerer macht, eine unangenehme Nebenwirkung: Um sich von Schuld oder Verantwortung freizusprechen, sucht sich der Handelnde einen Sachverhalt aus, der ihn an der Erstellung seiner Leistung hinderte – und klagt damit einen seiner Mitstreiter, mit dem er zur Fertigstellung des Projektes eigentlich an einem Strang ziehen sollte, direkt an. In aller Regel wird dieser die Beschuldigung nicht auf sich sitzen lassen, sondern seinerseits darlegen, warum die Arbeit trotzdem hätte erfolgen können oder durch welche Umstände wiederum er verhindert war, die Anforderungen des Ersten zu erfüllen. Und ehe man realisiert, was gerade passiert, sind 50% der Arbeitskraft mit unproduktiven Verteidigungskämpfen vergeudet, die den ursprünglichen Zeitverlust vervielfachen.
In diesem Sinne lohnt es sich, durchaus auch einmal zuzugeben: „Sorry, hab ich verbaselt, hole ich nächste Woche nach.“ Die Arbeitsatmosphäre wird offener, wenn man Fehler oder Versäumnisse einfach eingesteht und weiter zusammen arbeitet anstatt gegeneinander. Ich rede hier im Übrigen nicht von katastrophalen Fehlleistungen (die ja, wie man am Berliner Flughafen erkennt, gar nicht so schlimm sind), sondern von den kleinen Missgeschicken des Arbeitsalltages, die jedem und jederzeit passieren. Geht der Fehler erst in die Milliarden, wird er systemrelevant und man selbst unkündbar (aber jetzt sind wir mitten bei der Eurorettung ;-))