Vorentwurf (Lph 2)

Der Entwurf steht am Beginn jedes bautechnischen Prozesses – in ihm wird die Anordnung der vom Nutzer oder Bauherrn geforderten Räume, ihre Gestaltung und Materialität entwickelt und festgelegt sowie die Auswirkungen des so entstehenden Ganzen auf die bestehende Umwelt und die vorgesehene Nutzung untersucht. Schon der Versuch einer Bewertung dieser Entwurfsqualität stößt gerne an Grenzen – das Fehlen objektiver Kriterien und die je nach Aufgabe und Bewertungsgremium stark unterschiedlich gewichteten subjektiven Kriterien machen eine allgemein gültige Aussage zur Qualität eines Entwurfes unmöglich. Beispiele für solche subjektiven Kriterien sind die Wirtschaftlichkeit des Projektes, die äussere und innere Gestaltung, die Funktionalität der entwickelten Raumfolgen und ihre Eignung für die vorgesehene Nutzung, in letzter Zeit werden auch verstärkt Aspekte der Nachhaltigkeit (Umweltschutz, Betriebskosten, Lebenszykluskosten inkl. Abbruch und Entsorgung) bei der Beurteilung von Projekten berücksichtigt. Manche dieser Kriterien, wie z.B. die Wirtschaftlichkeit, wirken auf den ersten Blick sogar objektiv – doch selbst diese, in Zahlen messbaren Werte müssen spätestens bei der Berücksichtigung zukünftiger Erträge oder zukünftiger Kosten für Instandhaltung und Renovierung auf spekulative Grundlagen aufbauen, deren Gewichtung je nach Zielrichtung des angeforderten Gutachtens subjektiv erfolgt.

Dem Entwurf, oder genauer und honorartechnisch präziser dem Vorentwurf, Leistungsphase 2 HOAI, gebührt nach landläufiger Meinung die Krone des Architektendaseins. Um diese Leistungsphase ranken sich Legenden von Tuscheskizzen auf Papierservietten, von Geistesblitzen in schlaflosen Nächten, von Superstars des Gewerbes. Vergessen wird bei diesem Ansatz gerne, dass ein wirklich guter Entwurf möglichst viele Umgebungskriterien berücksichtigt, aus denen dann im Idealfall etwas optimal dem Ort, der Zeit und der Nutzung Entsprechendes entsteht, das allein durch diese Tatsache eigentlich schon Aufsehen genug erregen sollte. Statt dessen wird gerne dem Wunsch des Bauherrn oder dem des Architekten geopfert, an dieser Stelle doch bitte etwas Spektakuläres zu schaffen, auf dass es den Ruhm des eigenen Hauses fleissig mehre – ein Konzept, das in Einzelfällen vielleicht sogar wirtschaftlich aufgeht, aber architektonisch? Städtebaulich? Nachhaltig? Ausserhalb des als Architektur-Zoo ja wirklich interessanten Vitra-Geländes? Die Realität gibt den Bilbaos und BMW-Welten dieser Erde oft genug Recht, nur verstanden habe ich es bisher nicht.

Grundlagenermittlung (Lph.1)

Die erste der in der HOAI beschriebenen Leistungsphasen ist die am meisten unterschätzte und die, die Bauherren wie Architekten gerne einmal im Sinne eines moderaten Honorares entfallen lassen oder verhandeln … eine echte Fehlentscheidung, die in aller Regel deutlich mehr Geld kostet, als sich damit einsparen ließe.

Der Oberbegriff der Grundlagenermittlung ist so nichtssagend wie allumfassend – hier geht es um die Begründung des Verhältnisses zwischen Bauherr und Architekt, der ja in den weiteren Phasen als Treuhänder des Bauherrn fungieren soll (auch das eine so umfassende wie in den meisten Fällen nicht erfüllte Formulierung der einschlägigen Regelwerke). Diese Grundlagen sind viel mehr als das Erarbeiten eines Raumprogrammes oder die Formulierung eines Nutzungsschemas – viel wichtiger ist ein intuitives Gespür für die wirklichen Bedürfnisse des Bauherrn, die dieser mangels Erfahrung zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht artikulieren kann. Diese Feststellung ist völlig unabhängig davon, ob der Bauherr privat, gewerblich oder öffentlich-rechtlich organisiert ist. In aller Regel bauen Architekten häufiger als einzelne ihrer Bauherren, sind dafür ausgebildet und daher prädestiniert, Anforderungen, die der Bauherr zu diesem Zeitpunkt hat, aber noch nicht benennen kann, zu formulieren und zu berücksichtigen.

Gerade bei privaten Bauherren kann in dieser Phase eine regelrechte Erziehung des Bauherrn erfolgen, die zwar in keinster Weise im Honorarrahmen enthalten ist, in den folgenden Leistungsphasen aber dadurch, dass man ein gemeinsames Vokabular entwickelt hat, viele Dinge einfacher und damit nicht nur kostengünstiger, sondern auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in sich schlüssig und konsequent lösbar macht. Gleichzeitig lässt sich an diesem Punkt der reale Bedarf des Bauherrn erfassen und damit die Notwendigkeit, eventuell für Dinge Geld auszugeben, die am Ende keiner wollte, und dann für die Dinge, die gewollt gewesen wären, kein Budget mehr zur Verfügung zu haben. Alle Planspiele, die in den Augen der Beteiligten vielleicht abstruse Situationen beschreiben, kosten in dieser Phase noch vergleichsweise wenig Geld, weil sie sich ausschließlich in den Köpfen der Beteiligten abspielen, und alle Parameter, die in dieser Phase gemeinsam erarbeitet und beschlossen werden, ermöglichen es dem Projekt, zielgenau die Bedürfnisse und Vorstellungen der Beteiligten zu erfüllen.